Das geklonte Schaf Dolly


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Bei diesem Text geht es lediglich um die wissenschaftlichen Verfahren, nicht um die Frage der Ethik. Mit den ethischen Aspekten beschäftigt sich bereits etliche andere Seiten. Diese Seite ist in dieser Hinsicht neutral.
Letzte Aktualisierung: 1998.

Morag und Megan

Im Mai 1996 wurde es zum ersten Mal bekannt, daß die Wissenschaftler des britischen Roslin Institutes in Edinburgh, Schottland ein Schaf geklont hatten.
Sie verwendet das neun Tage alte Embyro eines schwangeren Schafes, welches aus etwa einhundert Zellen bestand. In dem Stadium sind noch alle Zellen gleich gebaut, d.h. es hat noch keine Spezialisierung auf bestimmte Aufgaben stattgefunden. Die Zellen sind totipotent, so daß es bei ihrer weiteren Entwicklung sind noch alle Möglichkeiten vorhanden sind. Die Wissenschaftler haben dafür gesorgt, daß sich diese Zellen noch weiter vermehrten, so daß es in weniger als einer Woche schon über tausend Zellen gab. Man hat anschließend noch sichergestellt, daß alle Zellen auch wirklich genetisch identisch waren.
Zur gleichen Zeit hat man anderen Schafen Hormone eingespritzt, so daß sie extrem viele unbefruchtete Eizellen, sogenannte Oozyten, produzierten. Von diesen Oozyten wurde der Zellkern vorsichtig entfernt. Daraus resultierten Eizellen, die keinen Kern hatten und somit auch keine genetischen Informationen speicherten. Durch kleine elektrische Impulse wurde eine Fusion der entkernten Oozyten und der totipotenten Zellen bewirkt, so daß man im Grunde genommen Eizellen mit ausgetauschten Zellkernen hatte.
Dies hatte auch zur Folge, daß die Eizellen nun diploid waren, d.h. so, als wären sie von Sperma befruchtet worden. Die Eizellen konnten sich nun teilen. Es entstanden neue Embryonen, alle mit den gleichen Erbinformationen. Diese identische Embryonen wurden nun wieder in weibliche Schafe implantiert. Die Schafe dienten als Leihmütter. Von 250 Embryonen überlebten nur fünf bis zur Geburt. In den ersten zehn Tagen starben drei dieser walisischen Bergschafe, zwei überlebten. Diesen zwei überlebenden Schwesterschafen, beide genetisch identisch, gab man die schottischen Namen Morag und Megan. Selbst nach sieben Monaten waren noch beide gesund.
Zwar war die Überlebensrate der Embryonen noch sehr niedrig, doch dies war schon ein recht großer Erfolg. Das Verfahren wurde patentiert. Morag und Megan waren die ersten Schafe, die mit dem Zellkerntransferverfahren geklont wurden. Vor diesem Versuch hatte man mit dieser Methode nur bei niedrigeren Lebewesen wie etwa Fröschen Erfolg gehabt.

Dolly

Zwar wurde in der Presse auch über Morag und Megan berichtet, doch große Diskussion gab es erst, als das Team von Wissenschaftlern des Roslin Institutes bzw. der Firma PPL Therapeutics im Februar 1997 einen Artikel über ihr geklontes Schaf Dolly veröffentlicht haben.
Bei Morag und Megan hatte man ein Embryo geklont, bei dem die Zellen noch totipotent waren. Nun wollte man aber nicht nur Embryonen klonen, sondern auch erwachsene Lebewesen mit differenzierte Zellen.
Bei der normalen Entwicklung eines höheren Lebewesens spezialisieren sich die Zellen schon sehr früh. Es entstehen unterschiedliche differenzierte Zellen wie z.B. Nervenzellen. Zwar haben diese Zellen immer noch die komplette Erbinformation, doch die Gene werden z.B. durch bestimmte Enzyme mit Methylgruppen reguliert, so daß nur noch bestimmte Proteine produziert werden und die Zelle nur für ganz bestimmte Aufgaben zuständig wird. Sie sind also in jener Form nicht totipotent.
Die Wissenschaftler des Roslin Institut verwendeten dieses mal drei verschiedene Spenderzellarten: Zellen eines 9 Tage alten Embryos, Zellen eines nach 26 Tagen abgetriebenen Schafsfötus und (wie beim Fall Dolly) Euterzellen eines sechs Jahre alten und somit erwachsenen, weiblichen Schafes. Bei den Fötus- und Euterzellen handelt es sich wohlgemerkt nicht um totipotente, sondern um weiterentwickelte, differenzierte Zellen.
Wie beim vorherigen Experiment mußte man den Zellkern dieser Zellen jeweils in eine vorher entkernte Eizelle einpflanzen. Wieder schien es vorteilhafter, Oozyten zu verwenden und um diese zu erhalten hatte man 28 - 33 Stunden vor der Entnahme den Schafen ein Gonadotropin freisetzendes Hormon eingespritzt. Das Einpflanzen der Spenderzellkerne erreichte man wieder indem man durch elektrische Impulse eine Verschmelzung der Zellkerne der Spenderzellen mit vorher entkernten Eizellen bewirkte.
Damit sich aber Embryonen aus den fusionierten Eizellen entwickeln konnten, mußten die Eizellen undifferenziert, d.h. totipotent sein. Dies zu erreichen war sehr schwierig, und hier lag der eigentliche große Fortschritt beim Klonen von Dolly. Bei der Fusion war es sehr wichtig, daß sich sowohl Spenderzelle als auch die Eizelle in einer bestimmten Phase des Mitosezyklus befanden, denn die Erfolgsquote hing sehr stark von der Phasenkombination ab. Durch eine besondere Salzlösung sorgte man vor der Elektrofusion dafür, daß die Spenderzellen in die G0-Phase (Stichwort Mitosezyklus) gelangten. Mit der G0-Phase meint man einen fast inaktiven Zustand. Die Zellen teilen sich nicht mehr und die DNA wird nicht mehr kopiert.
Die resultierenden Eizellen waren in der Tat totipotent, aber über die genauen biochemischen Prozesse, die dazu führten, sind sich die Wissenschaftler noch nicht vollständig im klaren. Man vermutet, daß die Eizellen bestimmte Proteine bzw. Enzyme enthalten, die diese Reprogrammierung möglich machten.
Die Embryonen wurden Leihmüttern eingepflanzt. Es überlebten vier Schafe, die von Embryozellen abstammten, zwei Schafe, die von Fötuszellen abstammten und schließlich ein Schaf, das von einer Euterzelle abstammte. Durch einige Tests wurde verifiziert, daß die Schafe von den Spenderschafen abstammten. Das letztgenannte Schaf nannte man Dolly. Dolly ist das erste Lebewesen, daß durch Klonen eines erwachsenen Säugetieres entstanden ist.


Dies war ein sensationeller Durchbruch für das Team. Im Februar 1997 veröffentlichten sie ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift "Nature". Sie erhielten sehr viel Anerkennung, aber auch viel Kritik. Die Erfolgsquote beispielsweise ist sehr viel geringer als bei der natürlichen Fortpflanzung:


ZelltypFusionierte ZellenEmbryonenSchwangerschaftenGeborene Schafe
Euterzellen2772911
Fötuszellen17247 #53 *
Embryozellen385126 #154

# Anzahl der Embryonen nach Kultivierung
* Eines der drei Schafe starb wenige Minuten nach der Geburt.

Trotz vieler post-mortem Untersuchungen weiß man in den meisten Fällen nicht definitiv, weshalb es zu Fehlgeburten kam.
Die geklonten Schafe tendieren außerdem dazu, noch im Mutterleib sehr viel größer als bei einer normalen Schwangerschaft zu werden, was nicht nur eine Gefahr für das Tier sondern auch eine Gefahr für die Leihmutter darstellt.
Daneben gibt es auch einige Bedenken über das biologische Alter eines geklonten Schafes, denn in gewisser Weise ist Dolly über 7 Jahre alt.


Sehr viel größere Kritik gab es, als auch in den Massenmedien über das Schaf Dolly berichtet wurde. Am wichtigsten war dabei natürlich der ethische Aspekt. Viele Menschen halten das Klonen für ein unerlaubtes Eingreifen in die Natur. Eine große Rolle spielt dabei die Angst vor dem Klonen von Menschen. Ein großer Teil der Bevölkerung glaubt, daß es bald absolut identische Personen mit identischen Persönlichkeiten geben wird, doch die Menschen sind sich nicht darüber im klaren, daß auch eineiige Zwillinge von der Natur geschaffene Klone sind, und das sehr vieles durch die Umwelt bestimmt wird.


Ob bzw. wann das Klonen von Menschen möglich sein wird, ist momentan nicht ganz sicher. Wie bereits erwähnt sind sich die Wissenschaftler über die genauen biochemischen Prozesse, die zur Reprogrammierung der Euterzelle führten, noch nicht im klaren.
Einige Wissenschaftler vermuten sogar, daß Dollys genetische Informationen aus einer Zelle stammten, bei der die Entwicklung zu einer ausgereiften Euterzellen noch nicht vollständig abgeschlossen war. Dies kann zwar nicht hundertprozentig ausgeschlossen werden, aber die meisten Wissenschaftler halten das für unwahrscheinlich.
Bisher glaubte man, daß die biologische Entwicklung und die Spezialisierung der Zellen nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Das Roslin Institute lieferte uns jetzt anscheinend einen Beweis für das Gegenteil, so daß es völlig neue Perspektiven für die Wissenschaft gibt. So kann man sich jetzt genauer mit den sogenannten somatischen Mutationen befassen, welche für die Entstehung von Tumoren verantwortlich sind und beim Alterungsprozeß eine Rolle spielen.
Es ist aber dennoch ungewiß, ob diese Methode wirklich bei allen spezialisierten Zellen funktioniert. Laut Dr. Ian Wilmut, Wissenschaftler am Roslin Institut, sind Gehirn- und Muskelzellen vermutlich schon so stark spezialisiert, daß die Aufhebung der biologischen Entwicklung nicht mehr möglich ist. Weiterhin ist es noch unklar, ob auch ältere Zellen als Spenderzellen in Frage kommen, da es im Laufe der Zeit beim Alterungsprozeß chemische Veränderungen geben kann.


Selbst wenn dieser Prozeß nicht bei allen spezialisierten Zellen möglich ist, wäre es aber höchstwahrscheinlich immer noch möglich, sich gezielt bestimmte Zellen eines Menschen auszusuchen, um ihn dann zu klonen. Einige Wissenschaftler vermuten, daß das Klonen von Menschen schon sehr bald möglich sein wird, manche, wie z.B. der amerikanische Wissenschaftler Dr. Richard Seed, haben sogar bereits ganz konkrete Pläne in dieser Richtung.

In einigen Ländern, u.a. auch Deutschland und Großbritannien ist das Klonen von Menschen verboten, doch Wissenschaftler können die nationalen Gesetze ihres Landes sehr einfach umgehen, indem sie ihre Arbeit in das Ausland verlagern. Selbst wenn internationale Vereinbarungen getroffen werden, wird eine vollständige Kontrolle nicht möglich sein.


Bei den vielen Diskussion um das Klonen von Menschen sollte man nicht vergessen, daß das britische Wissenschaftlerteam einige andere Ziele hatte. Durch ihre neuen Methode könnte es z.B. möglich werden, auch andere erwachsene Weidetiere wie z.B. Rinder zu klonen. Das würde die Viehzucht revolutionieren, denn besonders wertvolles Vieh würde man einfach klonen und die Suche nach geeigneten Kreuzungspartnern würde entfallen. Einige Forscher haben inzwischen schon mit solchen Experimenten bei Rindern angefangen. Weiterhin könnte das Klonen bei der Genmanipulation sehr hilfreich sein. Das "Dolly-Projekt" entstand aus einer Zusammenarbeit zwischen dem Roslin Institute und der Firma PPL Therapeutics. PPL war hauptsächlich daran interessiert, mit dieser Methode sehr effizient transgene Tiere zu schaffen. Transgene Tiere sind Tiere mit einigen menschlichen Genen.


Polly

Dolly war in keinster Weise genmanipuliert. Im Juli 1997 stellte das Wissenschaftlerteam des Roslin Institute der Öffentlichkeit das erste geklonte transgene Schaf vor: Polly.
Bei Polly verwendete man den Zellkern einer Fötuszelle. In den Zellkern hat man vor der Fusion ein menschliches Gen eingepflanzt, welches für die Produktion des "Faktor IX" sorgt. Bei Menschen, die unter Hämophilie leiden, ist dieses Blutprodukt nicht in ausreichendem Maße im Körper vorhanden. In Nordamerika, Europa und Japan gibt es momentan etwa 7000 Betroffene, denen man bisher zum Beispiel mit Blutspenden half. Das Schaf Polly soll Milch produzieren, welches diesen Faktor IX enthält. Dies soll allmählich eine billigere Alternative zu den Blutspenden werden. Es gab bereits Fälle von Hämophiliekranken, die sich durch die Blutspenden mit HIV, Hepatitis und anderen Krankheiten infiziert haben. Diese Gefahr bestünde bei dieser neuen Alternative nicht. Daneben bestätigt der Erfolg bei Polly noch einmal das Experiment mit Dolly.
Zwar gibt es schon seit 1991 transgene Schafe, transgene Tiere allgemein sogar schon seit 1981, aber Polly ist das erste transgene Tier, das durch Klonen entstanden ist. Bisher war die Schaffung transgener Weidetiere nur durch pronukleare Injektion möglich. Bei diesem Verfahren werden 200 - 300 Kopien eines menschlichen Genes in ein befruchtetes Ei injiziert. Das Tier wird dann von einer Leihmutter ausgetragen. Die Resultate sind dabei aber überhaupt nicht zufriedenstellend, denn nur aus 2-3% der Eizellen entstehen schließlich transgene Tiere, und von diesen 2-3% ist das Gen außerdem nur bei extrem wenigen Tieren in ausreichendem Maße aktiv. Der Versuch mit Dolly zeigte, daß man auch aus Zellkulturen Tiere entstehen lassen konnte, und so wurde es jetzt möglich, die Genmanipulation sehr viel präziser auszuführen. Außerdem kann man ganz genau prüfen, bei welchen Zellen die Modifikationen erfolgreich verlaufen sind, so daß man nur bei diesen den Prozeß fortsetzen muß.

Fazit

Die Meldungen über die geklonten Schafe überraschten sicherlich sehr viele Menschen. Es scheint in der Tat einige sinnvolle Anwendungsgebiete für das Klonen zu geben, doch wie mit allen neuen Technologien sollte man dabei sehr vorsichtig verfahren. Manche Dinge wird man anscheinend leider erst durch Erfahrungen lernen.

Bibliographie




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